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Mehr als 110 Jahre lang hat die berühmte Fotografenfamilie Bieber
existiert. Es begann im Jahre 1852 in Hamburg, als Fräulein Emilie
Bieber (1810-1884) ein 'Daguerreotyp Atelier und Photographi-
sches Institut' gründete.

Das Geschäft lief jedoch mehr schlecht als recht, so dass sie es
beinahe verkauft hätte. Zur Beratung wurde auch eine Wahrsage-
rin hinzugezogen, die aber 'sah viele wartende Pferdekutschen vor
ihrem Atelier in der Großen Bäckerstraße'.

Daraufhin verkaufte Emilie Bieber nicht und avancierte in den
folgenden Jahren zur erfolgreichen Porträtfotografin, ihre Spezia-
lität waren handcolorierte Porträts.

Prinz Friedrich von Preußen ernannte sie zu seiner Hoffotogra-
fin. Im Jahre 1872 bestimmte E. Bieber ihren Neffen Professor
Leonard Berlin (1841-1931) zu ihrem Nachfolger.

Unter dem Namen Professor Berlin-Bieber wurde er Hoffotograf
von mehreren Königshäusern, Prinzen und Herzögen und führte damit
das Haus Bieber ab 1885 zu Weltruhm. Kaiser Wilhelm II.
(1859-1941) ließ sich besonders gern von Professor Berlin-Bieber
fotografieren.

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Im Jahre 1892 war die Hansestadt Hamburg zum Sammelplatz
vieler auswanderungswilliger Menschen geworden, die hier in bil-
ligen und unhygienischen Quartieren auf ihre Ausreise warteten.
Meistens reichten die finanziellen Mittel der Auswanderer nur für
die billigen Zwischendeckplätze auf den Auswandererdampfern.
Es war dort zugig und kalt und es herrschten unhaltbare hygieni-
sche Zustände, denn saubere Toiletten gab es nur für die teuren
Kabinenplätze. Viele Auswanderer kamen als kranke Einwanderer
im 'gelobten Land' an - wo sie dann die ersten Wochen in Qua-
rantäne verbringen mußten.

Das kaiserliche Gesundheitsamt hatte den Hamburger Senat
mehrfach vor dem Ausbruch von gefährlichen Seuchen aufgrund
der mangelhaften Wasser- und Abwasserverhältnisse gewarnt,
die sogar in Berlin bekannt waren.

Aus Ersparnisgründen hatte der Senat immer wieder den Bau ei-
nes modernen Wasserwerkes verschoben. Bis dann 1892 die
Cholera-Epidemie ausbrach und Hamburg zur gesperrten Stadt
erklärt wurde. Die Epidemie forderte 8605 Tote, auf dem Höhe-
punkt der Seuche starben täglich über 400 Menschen, die nur
noch in Massengräbern beigesetzt werden konnten.
Bald darauf erhielt Hamburg ein neues Wasser- und auch ein Ab-
wasserwerk.

Dem Hamburger Senat entstanden riesige Verluste, einige Jahre lang
mieden viele in- und ausländische Schiffe den Hamburger Hafen und
löschten ihre Ladung in anderen Häfen.

Kurzsichtiges Sparen hatte vielen Menschen das Leben gekostet,
zu langfristigen Mindereinnahmen und riesigen Verlusten geführt.

Prof. Berlin-Bieber war 1892 in Berlin, als er von der Katastrophe
hörte. Daraufhin ließ er auch seine Familie nach Berlin kommen und
gründete hier die Filiale Berlin-Bieber. 1902 machte er seinem Sohn
Emil Bieber (1878-1963) zum Mitinhaber und Chef des Hamburger
Ateliers. In Hamburg und Berlin wurden 1902 insgesamt etwa 40 Mit-
arbeiter beschäftigt.

Prof. Berlin-Bieber behielt die Filiale in Berlin bis zum Ende des er-
sten Weltkrieges, dann verkaufte er den Berliner Betrieb und zog sich
ins Privatleben zurück.

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Das Berliner Atelier wechselte in der Folgezeit mehrfach den Be-
sitzer, existiert aber noch heute in Berlin-Lichterfelde.

Emil Bieber, als Vertreter der 3. Fotografengeneration wurde ein er-
folgreicher Hamburger Fotograf. 1911 fotografierte er in Hamburg
Thomas Alva Edison, der hier eine Europareise abschloß. Das letzte
Hamburger Atelier befand sich im Eckhaus: Alter Jungfernstieg 8-9,
welches im Volksmund bald die 'Bieber-Ecke' genannt wurde.
Im Jahre 1927 wurde das 75-jährige Firmenjubiläum begangen, das
Atelier hatte sich in den vergangenen Jahren auch in der Werbe-
fotografie einen Namen gemacht.

Als der Betrieb 1933 'arisiert' werden sollte, wurde er vorher verkauft
und die Familie Bieber wanderte nach Süd-Afrika aus, wo sich
Emil Bieber in Kapstadt als Fotograf niederließ.

In den 50er Jahren besuchte Emil Bieber zweimal Hamburg, wo er
freundlich aufgenommen wurde. 1963 starb mit ihm der letzte Vertreter
der Fotografenfamilie E. Bieber.

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